Wenig Beute im Bürokratieentlastungsgesetz III für Selbstständige

Am 18. September 2019 hat das Bundeskabinett dem BEG III ( (drittes Bürokratieentlastungsgesetz) zugestimmt. Es wartet jetzt noch auf die Unterschrift des Bundespräsidenten und dürfte pünktlich zum 1.1.2020 in Kraft treten. Vorerst können wir daher nur auf den Referentenentwurf des BMWI (Entwurf wurde vom BMI gelöscht) verlinken. Inhaltlich wird sich hier wohl nicht mehr viel tun.

Der Titel macht große Hoffnung. Viele Selbstständige, das zeigen Umfragen verschiedenster Interessensvertretungen immer wieder auf, beklagen sich über zu viel Bürokratie in Deutschland. Ein Gesetz, das hier Abhilfe schaffen soll, und verschiedene Ungetüme zurecht stutzen soll, verspricht da Linderung.

Leider haben die Jäger und Sammler des Bundeswirtschaftsministeriums im Jahr 2019 recht wenig Beute an unnötiger Bürokratie  gemacht. Im Gesetzgebungsverfahren sind nach langem Streifen durch den Paragrafenwald für Selbstständige sage und schreibe 2 Bröckchen zusammen gekommen:

  • Existenzgründer müssen im ersten Jahr nicht automatisch monatlich eine Umsatzsteuer-Voranmeldung abgeben.
    Diese Regelung soll ab 2021 befristet bis 2026 gelten. Das ist natürlich lächerlich: erstens werden Existenzgründer in 2020 noch automatisch zur monatlichen Abgabe einer UStVA verpflichtet sein, und zum zweiten ist die Entlastung, die hier herausspringt, gerade 3 Mausklicks im Monat wert, wenn man eine vernünftige Buchhaltungssoftware nutzt. Ich fürchte, der Lärm, den die Sektkorken der angehen Gründer an Silvester 2020/2021 machen werden, reichen nicht ganz aus, um bei der Pyrotechnik viele Schadstoffemissionen einzusparen…
  • Die Kleinunternehmergrenze nach  § 19 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) wird ab dem 1.1.2021 von 17.500 Euro auf 22.000 Euro jährlich angehoben.
    Die Kleinunternehmerregelung besagt im Wesentlichen, dass man als Kleinunternehmer den Kunden keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen muss, und demnach auch keine Vorsteuer für eigene Einkäufe abziehen darf. Damit ist man auch von der Umsatzsteuer-Voranmeldung und der Umsatzsteuererklärung befreit. Was zunächst mal gut klingt, muss sehr vorsichtig gekostet werden: Für Unternehmer, die mit Waren handeln oder viele Rohstoffe bzw. Materialien einkaufen, kann diese Regelung ebenso nachteilig sein, wie für Unternehmer, deren Angebot sich in erster Linie an Firmenkunden richtet. Auf diese Themen gehen wir ausführlicher in unserem Beitrag zur Kleinunternehmerregelung ein.
    Immerhin: die Regelung gilt ab 1.1.2020, bezieht sich aber auf das laufende sowie das vorangegangene Geschäftsjahr. Es wird also auch möglich sein, schon für 2020 die Kleinunternehmerregelung in Anspruch zu nehmen, wenn man 2019 einen Umsatz von weniger als 22.000 Euro macht. Wer also tatsächlich die Kleinunternehmerregelung nutzen möchte, hat jetzt bereits 4500 € mehr Luft nach oben beim Umsatz. Für Unternehmer, die 2019 bereits UStVA abgegeben haben, wird der bürokratische Aufwand für die Rückabwicklung jedoch vermutlich nicht wirklich nach Entlastung schmecken…

Alles in allem bleibt – aus der Perspektive der Selbstständigen – bei diesem Bürokratieentlastungsgesetz Luft nach Oben für die vierte Episode. Vielleicht hat man sich diesmal einfach ein paar Trophäen für den nächsten Wahlkampf aufsparen wollen. Gründergeist und neuer Startup-Wind sind hier allerdings eher nicht zu spüren.

Die Sache mit dem Feedback für Gründer

Jeder, der mit dem Gedanken spielt, sich selbstständig zu machen, ist darauf angewiesen: Feedback. Schliesslich muss die eigene Geschäftsidee ankommen bei potentiellen Kunden, das Produkt muss Nutzen bringen und gekauft werden und der neue Service muss nützlich und vernünftig bepreist sein, um auch wirklich in Anspruch genommen zu werden. Und da hilft es nur bedingt, selbst zu 100% davon überzeugt zu sein, daß das Angebot perfekt ist. Es schadet nicht, mit Selbstbewusstsein und Vertrauen an das Abenteuer heranzugehen, aber entscheidend für den Erfolg ist das, was Kunden und potentielle Käufer vom Produkt halten.

Wie Maybritt Reumann in ihrer Kolumne (Beitrag inzwischen entfernt) auf dem StartupBrett schreibt, sind die ersten Ansprechpartner für Feedback sicher Freunde und Familie. Aber leider muss man sich bei Feedback auch immer fragen, ob es ehrlich oder freundlich ist. Schließlich will man den hoch motivierten Gründer nicht ausbremsen, ihn nicht vor den Kopf stoßen. Freunde und Familie können sehr wertvolle Impulsgeber sein, müssen aber ganz und gar nicht.

Aus meiner Erfahrung in der Gründung von Kontolino heraus kann ich Maybritt Reumanns Beobachtungen und Tipps nur bestätigen: Nicht alles Feedback, das kommt, ist wirklich wertvoll oder hilfreich. Eine gute Portion davon muss man ausfiltern und schlichtweg ignorieren. Die Kunst ist es, das wertvolle Feedback vom Höflichkeits-Gebrabbel zu trennen.

Gerade ganz am Anfang, wenn man selbst noch unsicher ist, ist es sehr gefährlich, auf all die – vermutlich wirklich gut gemeinten – Tipps und Ratschläge zu hören, die aus allen Ecken und Richtungen auf einen Einprasseln. Ich selbst erinnere mich an eine Vielzahl von Ideen, ganz breit mit Youtube-Videos, Instagram-Fotos und Pressemeldungen loszulegen. Erklärvideos sind ein Muß, Screencasts erklären Dein Produkt ganz wunderbar und überhaupt ist Video das Werbemedium der Zukunft. Vorträge musst Du halten, Deine Software muss unbedingt eine Paypal-Schnittstelle haben, und Material Design ist das einzige, was wirklich hip aussieht. Die Software als open source freizugeben wäre perfekt, denn dann fixen andere Leute ganz umsonst Deine Bugs. Das sind nur einige der Tipps, die ich so bekommen habe.

Zu all dem kommen noch die vielen Artikel in den einschlägigen Medien, in denen das Erfolgsrezept Deiner Mitbewerber beschrieben wird, und jeder weiß, wie wirksam und gleichzeitig billig Adwords sind.

Aufgepasst: alles wahr und richtig. Da sind kaum wirklich schlechte Ideen dabei, und natürlich ist es wichtig, sich diese Ideen alle anzuhören und darüber nachzudenken. Es lohnt sich, auch die vielleicht (oder gerade die) verrückteren Ideen aufzunehmen, aufzuschreiben und abzuwägen, ob da nicht etwas fürs eigene Vorgehen drin steckt.

Aber, und das ist nun wirklich die wichtige Essenz aus diesem Artikel: nicht alles funktioniert für jeden und nicht alles kann man auch wirklich umsetzen. Oft fehlt etwa die Zeit, Screencasts aufzuzeichnen, diese oder jene Schnittstelle zu programmieren oder von einem Networking-Event zum nächsten zu tingeln. Auch das Budget für die über-coole Webseite oder ein knackiges Erklärvideo, das sich wirklich von den anderen da draussen abhebt, ist nicht einfach so vorhanden.

Ein Beispiel aus unserer Praxis: Wir haben uns von Adwords schon vor einiger Zeit verabschiedet, weil ein einziger Klick zum Stichwort „Buchhaltung“ schnell mal 3 und auch deutlich mehr Euros kosten kann. Und ein Klick ist erstmal nur ein Besucher, noch lange kein Kunde. Für uns haben Adwords – zum damaligen Zeitpunkt – schlichtweg nicht funktioniert, aber schnell einige hundert Euro im Monat verschlungen. Dabei zeigte sich, dass unsere Kunden unsere besten Markenbotschafter sind. Wer mit Kontolino! zufrieden war, zeigte es Freunden und Kollegen, die ebenfalls auf der Suche nach der passenden Softwarelösung sind. Vielleicht würden sie heute, wo wir schon etwas bekannter sind, besser funktionieren. Vielleicht haben wir auch einfach nur alles falsch gemacht bei der Auswahl passender Keywords und Zielgruppen usw. Vielleicht war unser Produkt zu diesem Zeitpunkt einfach auch tatsächlich noch nicht reif genug. Ich werde das vielleicht niemals wissen und versuche, mir da auch gar nicht zu viele Gedanken zu machen.

So manche Idee ist aber tatsächlich schlecht. Nicht unbedingt per se, aber eben im eigenen Kontext. Nicht jeder, der meint, Dein Produkt müsse so oder so aussehen, hier oder da besonders beworben oder hier platziert werden, weiß wirklich, wovon er redet. All diesen gut gemeinten Ratschlägen hinterher zu laufen und seine Zeit und Energie auf viel zu vielen Baustellen zu vergeuden, kostet sehr viel Kraft und Zeit. Jede falsch investierte Minute oder jeder ins falsche Medium gesteckte Euro fehlt in der Verbesserung des Produkts, im Kundenservice oder auch einfach nur für die kleine Auszeit im Café um die Ecke oder für einen Spaziergang, der Energie und Ideen zurück bringt.

Feedback ist der Stein, um die eigene Idee weiter zu schärfen. Und dazu gehört eben auch negatives Feedback. Mit negativem Feedback umzugehen, kann der schwierigste Teil der ganzen Sache sein. Es wird nicht immer nett und freundlich formuliert, und manchmal fühlt man sich auch völlig zu unrecht heruntergemacht. Dabei hat dieser Mensch nur einfach diesen Button übersehen, die Doku nicht gelesen, völlig falsche Erwartungen gehabt oder ist einfach ein blöder Miesepeter, denn auch die gibt es natürlich.
Und doch muss gerade negatives Feedback analysiert werden: wichtig ist die Frage, warum der falsche Button gedrückt wurde, eine bestimmte Erwartungshaltung bestand. In fast jedem Kommentar der Art: „Das hat nicht funktioniert“ steckt ein Hinweis auf eine mögliche Verbesserung. Wichtig dabei ist, möglichst diesen Kern zu finden, nachzuhaken, was genau passiert ist, warum das so und nicht anders versucht wurde, welches Ziel erreicht werden sollte, und wo der Knackpunkt tatsächlich liegt. Es ist erstaunlich, dass gerade solche Kunden nachher besonders überzeugt sind, wenn sie erkennen, dass ihre Erwartung falsch war oder man sich des Problems schnell und unkompliziert angenommen hat.

Feedback muss eingesammelt, sortiert, wohl bedacht und aussortiert werden. Manche Ideen sind gut, aber passen nicht zu Dir, weil Du es gerade nicht leisten kannst, oder weil eine bestimmte Aktion einen völlig falschen Eindruck von Dir und Deinem Produkt vermitteln würde. Andere sind tatsächlich schlecht. Und wieder andere sind eben nicht ernst gemeinte Höflichkeitsbezeugungen, eben diese „Sieht Chic aus!“-Sprüche, mit denen man um eine ehrliche Antwort herum kommt. Meiner Erfahrung nach ist das Feedback gerade aus dem Freundes- und Familienkreis häufig weder ehrlich noch wertvoll, egal, wie gut es gemeint ist. Dessen sollte man sich stets bewusst sein, wenn man in einer frühen Phase steckt.

Selbstständig und trotzdem arm?

]Beim Thema Gründen und Start-Ups denkt man heutztage häufig an junge, bärtig-hippe Studenten, die kurz vor dem Master Millionenbeträge von Investoren einsacken, ihren Tag auf dem Office-Playground und die Nächte auf angesagten Parties verbringen und zum 30. Geburtstag ihren Laden für ein paar hundert Millionen an Google oder Facebook verkaufen. Dieses Zerrbild der Selbständigkeit wird verstärkt durch Fernehformate wie die Höhle der Löwen, wo man sympathische junge Gründer mit teils verrückten, teils pfiffigen Ideen sich vor einer mehr oder weniger prominenten Jury präsentieren und in gefühlt mühelosen 3 Minuten ein paar zehntausend Euro abstauben oder ein paar bissige Kommentare zur öffentlichen Belustigung ernten sehen kann.

Manchmal bekommt man den Eindruck, die Welt wird nur noch fortbestehen durch völlig neu gedachte Konzepte für althergebrachtes. Disruptiv und schrill muss eine Idee sein, die Firmen-Website mus eine .io – Endung haben und irgendwie müssen ein paar Buchstaben verdoppelt oder verwürfelt werden und dem Millionärsdasein steht nichts mehr im Wege.

Das ganze ist, wie gesagt, ein Zerrbild. Einem Großteil der Startups steht ein mehr oder weniger schleichendes Siechtum bevor, wenn nicht gar ein schmerzhaftes Ende am Schluss des Geldes und der Kraft. Nur einige wenige schaffen einen fulminanten Exit oder werden nachhaltig profitabel. Viele Gründer rackern sich über Jahre bei geringem Einkommen einer besseren Zukunft entgegen. Bei manchen kommt dann nach ein paar Jahren Durststrecke ein profitabes Business dabei heraus, viele können von ihrem Business mehr oder weniger gut leben, und einige haben tollen Erfolg und

natürlich haben viele vermeintlich verrückte Ideen sich zu enorm profitablen Firmen entwickelt, und ja, im Prinzip kann jeder es versuchen, und manche schaffen es, mit einer Vier-Stunden-Woche passives Einkommen von 3000 Euro und mehr pro Woche zu erwirtschaften.

Dass es auch eine andere Realität gibt,  zeigt uns dieser Artikel auf Spiegel Online: Mehr als hunderttausend Selbststädige brauchen Hartz IV:

2007 bezogen demnach 66.910 Selbstständige Hartz-IV-Leistungen, im vergangenen Jahr waren es 117.904.

Auch das ist Selbständigkeit: viele Menschen gründen ein Gewerbe als Notbehelf, weil sie in einer bestimmten Branche keine andere Beschäftigungsmöglichkeit mehr sehen, und einige davon können sich auch damit nicht ernähren.

Nicht besonders überraschend an dieser Stelle ist aus meiner Sicht, dass die einstmals viel besungene Ich-AG, der Versuch, arbeitslose Menschen durch finanzielle und teils auch praktische Unterstützung aus der Arbeitslosenstatistik in die Selbständigkeit überzuleiten, einen signifikanten Anteil an dieser Zahl hat:

Über ein besonders geringes Einkommen verfügen demnach Menschen, die eine sogenannte Ich-AG gegründet haben

Diese traurige Statistik wirft einige wichtige Fragen auf, die man sich in diesem Zusammenhang stellen sollte:

  • Ist unser Bild von Startups und dem schnellen Geld in der „neuen Gründerkultur“ gefährlich? Brauchen wir vielleicht ein etwas realistischeres Bild vom Gründer und dem Unternehmertum? Sollten wir unsere Nachfolgegeneration das Thema Selbstständigkeit in all seinen Facetten ganz anders heranführen?
  • Gerne rufen wir nach einer neuen Gründerkultur und Änderungen in den bürokratischen Hürden der Selbstständigkeit. Gerne wird nach der Politik, dem Staat gerufen, der den Start erleichtern und Rahmenbedingungen ändern sollte. Aber liegen die Probleme wirklich hier? Das fulminante Scheitern der Ich-AG sollte den einen oder anderen Rufer nachdenkklich machen.
  • Macht es Sinn, Menschen in die Selbstständigkeit zu drängen, um sie aus einer bestimmten Statistik zu hieven? Steckt wirklich in jedem ein Unternehmer?
  • Macht es Sinn, ein Startup als vielversprechend zu feiern, das auf die gnadenlose Ausbeutung von schlecht qualifizierten Arbeitskräften, die dann als Subunternehmer gerne auch mal deutlich unter Mindestlohnniveau (und frei von jeder Sozialversicherungspflicht – ist das Bürokratieabbau?) arbeiten , um sich das U-Bahn-Ticket zur ARGE leisten zu können, wo sie dann Hartz IV beantragen?

Es tut mir leid, aber mir gefällt das klassiche Bild eines Gründers mit Herzblut, kaufmännischem Grundverständnis und einem Gefühl für seine unternehmerische Verantwortung noch immer besser. Auch wenn diese Gründer keine rauschenden Pitch-Parties feiern und keine disruptiven Weltverbesserungen hervorbringen. Natürlich braucht es auch neue Denkansätze, um Probleme zu lösen, neue Märkte zu erschliessen oder zu schaffen. Nur verallgemeinern sollte man hier nicht. Nicht jede Gründung muß spektakulär und disruptiv sein, und nicht immer werden Unmengen an Fremdkapital benötigt. Auch ein staatlicher Anschub kann sinnvoll sein, und nicht jeder Regelung in unserer Verwaltung ist unbürokratisch oder überhaupt notwendig.

Aber keiner dieser Punkte kann durch seine Verallgemeinerung oder Anwendung nach dem Gießkannenprinzip aus unserer sehr sicherheits-geprägten Arbeitnehmerkultur eine Nation des Aufbruchs und einer neuen Gründerkultur machen. Den Beweis, dass das nicht geht, liefern die Zahlen in der o.g. Statistik: einhunderttausend arme Selbständige sind eindeutig zu viel.

Nur, wie kann man dem begegnen? Sind diese einhunderttausend Menschen alle unfähige Selbstüberschätzer? Sind Sie an deutscher Bürokratie gescheitert? Hat ihnen unsere „Geiz ist Geil“-Mentalität den Boden unter den Füßen weggezogen? War der Schritt in die Selbständigkeit eine freiwillige und falsche Entscheidung, oder gibt es für Kurierfahrer, Gebäudereiniger, Schlachter und viele weitere Berufsgruppen einfach gar keine Alternative zu einer „Selbstständigkeit“ mehr? Wir rufen so gerne nach dem Staat, der da nun mal aufräumen soll: schon haben wir den Salat und wollen die Regelungen zur Scheinselbständigkeit verschärfen, drängen damit IT-Selbständige und Kreativarbeiter in eine juristische Grauzone und verhindern so viele Gründungen oder erschweren noch mehr Menschen den Weg in die Selbstständigkeit.

Wachstumsbremse Buchhaltung?

Die Wirtschaftsprüfer von KPMG veröffentlichen auf Ihrer Web-Seite einen Artikel unter dem wunderschön plakativen Titel „Wachstumsbremse Buchhaltung“. Natürlich geht es darin nicht darum, dass die Buchhaltung als solche Unternehmen am wachsen hindert, sondern soll vor allem aufzeigen, dass es sinnvoll sein kann, das Thema Buchhaltung von externen Profis durchführen zu lassen.

Grundsätzlich unterschreibe ich diese These: wer sich mit der Buchhaltung aus Zeitgründen nicht auseinandersetzen kann oder mag, oder wer große Berührungsängste hat, weil er das Gefühl hat, er habe nicht das nötige Wissen, um die Bücher der Firma selbst zu führen, sollte sich dazu professionelle Hilfe von einem Steuerberater oder einem Buchhaltungsbüro holen.

Leider suggeriert auch dieser Artikel, dass das Leben als junges Unternehmen viel einfacher ist, wenn man sich um die Finanzen nicht kümmern muß. Spätestens hier sollte man jedoch aufhorchen. Wie so oft wird suggeriert, es sei alles in Butter, wenn ein Profi auf die Finanzen achtet, und man müsse sich dann um gar nichts mehr kümmern, könnte sich nun zu 100% der eigenen Geschäftsidee widmen.

Das ist ein – leider häufiger – fataler Fehler. Das schlimmste, was Sie als Gründer oder Unternehmer tun können, ist es, Ihre Belege schön brav an den Profi abzugeben, und den Betriebsauswertungsbogen des Steuerberaters brav und ungelesen abzuheften. Sie müssen diese Pegelstandsmeldungen möglichst gut verstehen und sie regelmässig prüfen, nicht nur, wenn größere Investitionsentscheidungen oder Neueinstellungen oder auch nur eine neue Werbekampagne ansteht.

Das heißt eben auch, sich mit den wichtigsten Kennzahlen vertraut zu machen, und diese in Ihre Entscheidungen einzubeziehen. Es reicht eben nicht, nur auf das Geschäftskonto zu schauen und zu prüfen, ob „genug“ drauf ist. Es reicht auch nicht, zu wissen, wie viel Umsatz Sie bisher in diesem Jahr gemacht haben, denn ohne zu wissen, wie hoch Ihre Ausgaben bisher waren und in den kommenden Monaten sein werden, ist völlig unklar, ob davon etwas übrig bleibt.

Die Antworten auf diese Fragen stecken überwiegend in Ihrer Buchhaltung. Hier finden Sie Ihre Umsätze, Kosten, Verpflichtungen der nächsten Zeit, Steuerschulden, Gewinn oder Verlust und vieles mehr. Sie ist schlicht und einfach der Schlüssel für jede unternehmerische Entscheidung, die irgendwie mit finanziellen Fragen zusammen hängen (und das ist der überwiegende Teil Ihrer Entscheidungen, von der Preisfindung für Ihr Angebot über eben Investitionen etc. bis hin zur Ausschüttung von Gewinnen an sich selbst).

Egal, ob Sie Ihre Buchhaltung selbst erledigen oder sie von einem Profi machen lassen, es ist nicht so, dass Ihnen Ihr steuerlicher oder kaufmännische Berater alles abnehmen kann. Natürlich können Sie sich auch in Fragen wie

  • Kann ich mir diese Investition jetzt leisten?
  • Tätige ich diese Investition leiber dieses Jahr oder später?
  • Kann ich Personal einstellen?
  • Kann ich mir selbst etwas auszahlen? Gibt es denn überhaupt Gewinne?

von einem Profi beraten lassen. Und in vielen Fällen sollten Sie das auch tun, wenn Sie kein Wirtschaftsprofi sind.

Aber andererseits brauchen auch diese Gespräche mit einem Profi Zeit und Vorbereitungsarbeiten, denn der Profi braucht – ebenso wie Sie – fundierte Zahlen und Pläne, um eine qualifizierte Aussage zu machen.

Wachstum heisst fast immer, Investitionen zu tätigen: mehr Personal, mehr Marketing, mehr Entwicklung, mehr Produktion, mehr Wasauchimmer. Wie könnte da die Buchhaltung eine Wachstumsbremse sein, wenn es nur auf ihrer Basis möglich ist, die richtigen Entscheidungen in Sachen Wachstum zu treffen?

Gründer und die Wahl der Rechtsform: keep it lean, Baby!

Wer sich selbständig macht, muss sich viele Gedanken machen und Weichen stellen. Wer gründet, begibt sich auf eine abenteuerliche Reise. Da ist die Angst, Fehler zu machen, natürlich groß.

Eine wichtige Entscheidung ist die für die geeignete Rechtsform für das neue Vorhaben. Starte ich als Freiberufler, als Personengesellschaft oder ist eine Kapitalgesellschaft für mein Vorhaben am besten geeignet?

Zu diesem Thema gibt es im Netz und im Buchhandel jede Menge Ratgeber. Hier finden Sie zu allen möglichen Szenarien und deren Verhinderung die passenden Rechtsformen für Ihre neue Firma. Hier sollte man auf jeden Fall schmökern und sich seine Gedanken machen, denn Fehler können durchaus gravierende Folgen haben. Übertreiben sollte man es aber auch nicht…

Wie man sich dem Thema auf keinen Fall nähern sollte

Im KarriereSpiegel erschien vor einger Zeit ein sehr schöner und gut verständlicher Überblick über die verschiedenen Einflussfaktoren für die Wahl der passenden Rechtsform.

In leider sehr deutscher Manier beginnt der Artikel mit einem Schreckensszenario erster Güte, um zu zeigen, wie verheerend Fehler bei der Wahl der Rechtsform sein können:

Als Anton Schlecker vor drei Jahren sein Unternehmen verlor, da verlor er alles – seine Immobilien, seine Luxus-Autos, selbst die Bilder an den Wänden. „Nichts mehr da“, sagte seine Tochter Meike, zehn Tage nachdem die größte Drogeriekette Deutschlands Insolvenz angemeldet hatte. Tausende Menschen verloren ihre Jobs. Und es blieb die Frage: Wie kann ein Milliardenvermögen auf null schrumpfen?

Es lag an der Unternehmensform, die der Patriarch gewählt hatte […]

Nun mag dieser Auftakt gut geeignet sein, des Lesers Interesse anzufüttern und den Respekt vor der Selbständigkeit zu erhöhen. Sachdienlich ist es eher nicht, sich der Thematik so zu nähern.

Das tragische Ende des Schlecker-Imperiums liefert jede Menge Lehren zu allen möglichen Themen, was im Handeln eines Unternehmers falsch gemacht werden kann.
Es zeigt, welch schlimme Konsequenzen Fehler oder Schlamperei bei der Jonglage mit großen Beträgen und Verantwortung haben können.

Und ja, es zeigt auch, daß man als Unternehmer möglicherweise für eigene oder fremde Fehler  bitter bezahlen muss.
Aber: hätte sich Herr Schlecker in einer Kapitalgesellschaft vor dem Zugriff von Gläubigern auf sein Privatvermögen verschanzt, wäre der Schaden nicht kleiner gewesen. Er hätte nur von anderen bezahlt werden müssen – obwohl auch so schon genügend Menschen in existenzielle Schwierigkeiten geraten sind. Und ob sich wirklich das Privatvermögen der Schlecker-Familie hätte schützen lassen, ist meines Erachtens mehr als fraglich.

Die Rechtsform schützt vor weniger, als Sie vielleicht denken

So interessant der Artikel des Spiegel also ist, und so gut der Überblick über die Rechtsformen ist, so unglücklich geht er mit dieser Einleitung komplett in die falsche Richtung. Nicht zuletzt, weil es sich der Autor ein wenig zu einfach macht.

Beispiel gefällig?

Benötigen Sie als GmbH-Geschäftsführer-Gesellschafter ein Bankdarlehen, und kann die GmbH keine Sicherheiten stellen, unterschreiben Sie als Privatmann den Kreditvertrag und beleihen Ihr privates Haus. Schon sind Sie persönlich haftend – Kapitalgesellschaft hin oder her. Und wissen Sie was? Gesamtwirtschaftlich gesehen ist das gut so. Ich möchte nicht, dass meine Bank Luftdarlehen an Firmen vergibt, die nicht dafür haften müssen – und Sie wollen das sicher auch nicht. Die GmbH schützt also nicht vor Forderungen aus Kreditausfällen, wenn sie nicht die Kreditnehmerin ist. Und meist ist sie das bei Neugründungen – mangels Sicherheiten – eben explizit nicht.

Selbst in Haftungsfragen bei einer Bruchlandung einer Firma ist noch lange nicht alles so, wie man gemeinhin sagt. Reicht das Stamm- oder Grundkapital Ihrer Firma nicht zur Deckung von Schäden aus, ist für Gläubiger noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Haben Sie als Geschäftsführer fahrlässig gehandelt oder in krimineller Absicht getäuscht oder ist Ihnen irgendwie nachzuweisen, daß Sie persönlich Fehler gemacht haben, ist mit guten Anwälten auch hier noch einiges zu machen. Da ist Ihr Privatvermögen durchaus juristische Manövriermasse, egal, was Ihnen der eine oder andere Berater weismachen möchte. Auch als GmbH-Geschäftsführer-Gesellschafter stehen Sie im Extremfall bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Fehlern in der Unterhose da. Und was fahrlässig oder vorsätzlich ist, entscheidet sich meist vor Gericht.

Gesetzeslage hin oder her: Selbständigkeit ist nicht der Freischein zum risikofreien Reichtum, und soll es auch nicht sein. Vielmehr heißt Selbständigkeit, Verantwortung zu übernehmen.
In diese Verantwortung muss man hineinwachsen.

Hineinwachsen heißt, Dinge ausprobieren, herausfinden, was funktioniert, und was nicht – kurz: Den passenden Weg zu finden.

Das bedeutet eben auch, sich mit wichtigen Entscheidungen möglichst erst festzulegen, wenn sie relevant werden. Dabei sind kleine, überschaubare Schritte meist das Mittel der Wahl. Ein Rundum-Sorglos-Paket, das vom ersten bis zum letzten Tag Ihrer Geschäftstätigkeit paßt, gibt es nicht.

Keep it Lean, Baby!

Die Wahl der Rechtsform muss nicht von Anfang an für den größt möglichen Umfang ausgelegt sein. Oder beginnen sie gleich im ersten Jahr damit, Milliardenkredite aufzunehmen und tausende Mitarbeiter einzustellen?

Wenn ja: herzlichen Glückwunsch! Es kann ja fast nichts mehr schief gehen.

Die meisten Gründer beschäftigen sich in den ersten Monaten – vielleicht sogar Jahren – damit, zu schauen, ob ihre Geschäftsidee funktioniert, und versuchen, ihren Lebensunterhalt daraus zu erzielen. Viele sind froh, wenn sie im 2. Jahr einen kleinen Überschuß erzielen. Andere geben schon nach wenigen Monaten auf und gehen zurück ins Angestelltendasein oder starten etwas neues.

In dieser Phase haben Gründer recht wenig Nutzen aus einer teuren GmbH oder UG, die sie rein theoretisch vor Konsequenzen aus Problemen schützt, die sie gerne erstmal hätten. Vielmehr bindet die Gründung einer Kapitalgesellschaft viel Energie und Kapital, erfordert sehr viel mehr Verwaltungsaufwand und kostet letztendlich bei ihrer Auflösung wiederum Geld und Zeit, die für einen Neustart besser angelegt wären.

Nicht auf die leichte Schulter nehmen

Bitte verstehen Sie diesen Artikel nicht falsch. Wenn Sie sich selbständig machen möchten, sollten Sie sich mit Rechtsformen beschäftigen, und sich Gedanken dazu machen, was am besten passt. Aber Sie sollten sich bei der konkreten Umsetzung auch vor Augen führen, was zunächst relevant für Sie sein wird und welche Fragen sich vermutlich in den ersten Jahren nicht stellen werden.

Halten Sie sich bitte stets vor Augen, dass Sie die Rechtsform Ihres Unternehmens durchaus wechseln können. Sie können problemlos ein paar Jahre als Einzelunternehmer arbeiten und Ihr Geschäftsmodell entwickeln. Wird die Sache ernst, und benötigen Sie Fremdkapital oder sprechen andere Gründe für eine GmbH, können Sie auch später noch umsatteln, mit allem in der Zwischenzeit gesammelten Wissen und der Erfahrung aus den ersten Jahren Ihrer Tätigkeit. Gibt es einen zu schützenden Markennamen oder müssen Sie Patente oder Lizenzen einkaufen, um los zu legen, ist eine Kapitalgesellschaft sicher eine gute Wahl.

Fazit: Starten Sie klein und wendig

Ein Start als Kleinunternehmer im Nebenerwerb, als Einzelunternehmer oder kleine BGB-Gesellschaft ist deutlich schneller und einfacher zu bewerkstelligen und kostet nur einen Bruchteil der Gründung einer Kapitalgesellschaft. Sie ist schnell wieder abgemeldet, wenn es nicht klappt, und so ziemlich alles läßt sich im Innenverhältnis per ganz normalem privatrechtlichen Vertrag regeln. Vertrauen Sie Ihren Mitgründern nicht, stellt sich sicherlich auch die Frage, ob ein Start in einer GmbH an diesem Umstand etwas ändern würde.

Eine Neugründung als GmbH oder AG ist auch nach einigen Jahren als BGB-Gesellschaft nicht schwieriger oder teurer, als wenn man es sofort in dieser Rechtsform getan hätte. Nur haben Sie in den ersten Jahren schon viel über Ihr Business gelernt und kennen die wahren Fallstricke.

Dasselbe gilt für die steuerlichen und handelsrechtlichen Rahmenbedingungen, die auf eine Kapitalgesellschaft zukommen: Bilanzierung, Publizitätspflichten, Aufstellung von Geschäftsberichten und viele weitere kleine und große Kosten- und Aufwandsfaktoren halten Sie sich mit einer Personengesellschaft vom Leib, bis Ihr Geschäft die Größe und den Umfang erreicht hat, die den ganzen Überbau rechtfertigt.

Es gibt Dinge, mit denen man sich den späteren Übergang erleichtert, etwa, indem man von Anfang an eine ordentliche Buchführung pflegt, die dann später keine Anpassungen mehr erfordert, wenn die gesetzlichen Hürden höher werden.

Beim Gründen wie in allen anderen Lebensbereichen ist Augenmaß für das Erforderliche und das Erkennen von Unnötigem Wasserkopf eine wichtige Grundzutat des Erfolgs. Nicht nur im eigentlichen Geschäft, sondern auch in rechtlichen und kaufmännischen Fragen heißt es, beweglich zu bleiben und vielleicht ab und an auch mehr auf das eigene Gefühl zu vertrauen, als blind auf so genannte Expertenmeinungen zu vertrauen.

Wie wir der Gründer-Angst in Deutschland begegnen können

Eben habe ich über Twitter den folgenden Artikel bei impulse gefunden, der mich sehr begeistert hat:

Wie wir mehr Menschen fürs Unternehmertum begeistern

Die Autorin ist selbst Geschäftsführerin eines Familienunternehmens und greift das Thema einmal nicht mit dem Ruf nach mehr staatlicher Förderung auf, sondern zeigt auf, wie nur durch eine veränderte Einstellung zum Thema Selbständigkeit (=auf eigenen Beinen stehen) und  zu den Themen Risiko und Verantwortung eine Kultur des Gründens aufkeimen kann.

Hier ein paar Schlüsselsätze, die mir aus der Seele sprechen:

Meines Erachtens können wir dies nur erreichen, wenn wir in Deutschland die Mentalität der Menschen ein Stück weit ändern. Wir müssen bis zu einem gewissen Grad risikoaffiner werden und der Selbstständigkeit deutlich positiver gegenüberstehen.

Im Silicon Valley heißt es: “Entweder man ist erfolgreich oder man lernt”. Eine Stigmatisierung im Falle des Scheiterns gibt es dort nicht. Im Gegenteil: Fehler werden als notwendig angesehen, um dauerhaft erfolgreich sein zu können. Wir Deutschen lassen uns von Rückschlägen hingegen viel zu schnell entmutigen.

Frau Ostermann nennt 3 konkrete Schritte, wie sich in der kommenden Generation eine wesentlich positivere Einstellung zur Selbständigkeit fördern lässt. Dabei geht es hier ganz und gar nicht um kopfloses Hineinstürzen in jedes Abenteuer, sondern um eine Kultur der Risikobereitschaft für gute Ideen und weniger Stigmatisierung von gescheiterten Unternehmern.

Ich kann diesen Artikel nur empfehlen und zum Lesen und Nachdenken auffordern.

13 Dinge, die Ihr Startup ganz sicher nicht braucht

Über Twitter habe ich heute einen Link auf diesen Artikel auf FastCompany gefunden (in Englisch):

13 Things You Think Your Startup Needs But It Really Doesn’t

Der Artikel ist sowas von lesenswert, dass ich ihn hier einfach verlinken musste. Ich bin mit so ziemlich jedem einzigen Punkt absolut einig. Besonders die Sache mit dem Fremdkapital ist eben eine sehr zweischneidige Geschichte: wer Fremdkapital gibt, will etwas dafür, und das fängt beim Mitreden an. Es gibt nichts schlimmeres, als einen nervösen Investor im Rücken.

Ein weiteres Argument ist die Zeit, die in das Gewinnen von Investoren gesteckt werden muss. Damit ist ein Gründer praktisch Vollzeit beschäftigt, im schlimmsten Fall über Monate hinweg.

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Natürlich gibt es Ausnahmen zu dieser Regel. Wo große Investitionen notwendig sind, etwa für Werkstatt- oder Laboreinrichtungen , Produktionsanlagen etc., geht kein Weg daran vorbei.

Aber auch alle anderen Punkte sind relevant und eine tiefere Überlegung wert. Alles in allem: Absolutes Must-Read!