Liquiditätsfalle Einkommensteuer für Existenzgründer

Liquiditätsfalle Einkommensteuer für Existenzgründer

Frisch gebackene Selbständige betreten wildes, unbekanntes Land. Zum Einen ist das aufregend und meist auch ein lang ersehnter neuer Trip in völlig neue Gestade. Endlich wird die lang gehegte Idee wahr, und endlich ist der Schritt getan.

Eine der besonders gefährlichen Klippen für frisch gebackene Selbständige ist die Steuer. Ja, ich weiss, es gibt so viel wichtiges, worüber man sich nun Gedanken machen möchte, mit dem frisch abgestempelten Gewerbeschein in der Tasche. Die Welt braucht nun Werbematerial und muss vom eigenen Produkt- oder Dienstleistungsportfolio überzeugt werden. Lieferanten müssen ausgesucht werden, Material eingekauft und die Eröffnungsfeier der Boutique muss geplant werden. Aber eben leider auch das Thema Steuer.

 

Warum das Finanzamt Ihnen den Spass sehr schnell verderben kann …

Ja klar, das Finanzamt! Wer denn sonst?

Aber geben Sie mir eine Minute: ich erkläre Ihnen kurz, was ich meine:

Sobald Sie ein Gewerbe anmelden, werden Sie auch vom Finanzamt kontaktiert. Sie werden aufgefordert, Ihre Gewinne des ersten Jahres (bzw. des angefangen Restjahres) zu schätzen. Diese Schätzung dient als Grundlage für die Festsetzung Ihrer Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer des ersten und einen guten Teil des zweiten Jahres. Diese Vorauszahlungen sind dann immer am 10. der Monate März, Juni, September und Dezember ans Finanzamt zu leisten.

Und genau hier können Sie sich ganz schnell und einfach ein oder zwei Beine stellen und sich in wirklich große Probleme navigieren.

Schätzen Sie Ihren Gewinn für den Anfang zu hoch ein, wird der Fiskus seinen Anteil auch gleich recht großzügig bemessen und Sie binden sehr viel Liquidität, indem sie viel zu viel Steuer vorauszahlen. An dieses Geld kommen Sie erst wieder, wenn Ihre Steuererklärung bearbeitet wurde und Sie eine Erstattung der zu viel bezahlten Steuer erhalten.
Noch schlimmer aber kann es sein, eine zu niedrige Schätzung abzugeben.

Sie sollten sich bei diesen Vorauszahlungen stets vor Augen führen, dass sie zum Einen zwar die Liquidität des Staates sichern sollen, vor allem aber auch zu Ihrem eigenen Schutz da sind. Und zwar aus dem ganz einfachen Grund, dass Sie mit jedem eingenommenen Euro immer auch Geld in die Hand bekommen, dass nicht Ihnen, sondern dem Fiskus gehört. Sie sind quasi so eine Art Verwalter von Geld, das nicht Ihnen, sondern dem Staat gehört.

Mit den Vorauszahlungen ist gewährleistet, dass der Staat schon jedes Quartal einen Teil Ihres Gewinns abschöpft, und die Steuerschuld am Jahresende nicht allzu groß ist.

 

Das tückische zweite Jahr

Wenn Sie eine zu niedrige Schätzung abgegeben haben, passiert im wesentlichen Folgendes:

  1. Sie haben im ersten Jahr relativ niedrige Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer zu leisten.
  2. Sie geben im 2. Jahr bis 31.5. ihre Steuererklärung für das erste Jahr ab. Bis diese vollständig bearbeitet ist, gelten auch im 2. Jahr noch die zu Beginn Ihrer Tätigkeit festgesetzten Vorauszahlungen
  3. Der Fiskus errechnet nun die tatsächliche Einkommensteuerschuld. Die von Ihnen bereits geleisteten Vorauszahlungen werden davon abgezogen. Der verbleibende Betrag ist innerhalb kürzester Zeit ans Finanzamt zu überweisen.
  4. Auf Basis der tatsächlichen Gewinne werden auch neue Vorauszahlungen festgesetzt.

 

Genau hier liegt für viele Jungunternehmer ein enormes Problem: Ganz kurzfristig ist die noch offene Einkommensteuer für das vorige Jahr zu bezahlen und der Zahlungstermin für die nächste (deutlich angehobene) Vorauszahlung ist auch nicht weit. Schnell kommen da ein paar tausend Euro zusammen, die ganz kurzfristig zu bezahlen sind. Wenn Sie die nun in einen schicken neuen Firmenwagen investiert haben, haben Sie ein Problem mit Ihrem Finanzamt. Das nämlich geht davon aus, dass ein Unternehmer/Selbständiger das Geld, das er ihm schuldet, stets flüssig hat.

 

… und wie sie sich ganz einfach davor schützen können

So schlimm all das hier klingen mag: es gibt eigentlich keinen Grund zur Panik. Wenn Sie die Problematik kennen und entsprechend vorsorgen, können Sie das Steuerthema abhaken.

 

Die Vorauszahlungen sind nicht in Stein gemeisselt

Wenn Sie merken, dass Ihre Gewinne von Ihrer ersten Schätzung abweichen, reagieren Sie möglichst zeitnah und gehen auf Ihren Steuersachbearbeiter beim Finanzamt zu. Er oder sie kann relativ einfach die Vorauszahlungen anpassen, damit das eben skizzierte Szenario nicht auftritt. Unserer Erfahrung nach sind die Sachbearbeiter/innen beim Finanzamt sehr nette und hilfsbereite Menschen, auch wenn man das so gar nicht glauben mag.

 

Verwalten Sie das Geld des Staates gewissenhaft

Gehen Sie grundsätzlich davon aus, dass jeder Gewinn, den Sie erzielen, zu mindestens 35% dem Staat gehört. Legen Sie sich am besten ein separates Bankkonto (z.B. ein Tagesgeldkonto) an, auf das Sie nach jedem erfolgreichen Geschäft bzw. nach jedem Geschäftsmonat ca. 40 % des Gewinns überweisen. Nehmen Sie also Ihre Monatsumsätze und ziehen Sie die Kosten ab, die im letzten Monat angefallen sind. 40% von dieser Differenz sollten Sie beiseite legen.

Fassen Sie dieses Geld (möglichst) nicht an, auch wenn das für den einen oder anderen Liquiditätsengpass verlockend erscheint. Von diesem Konto können Sie sowohl die Vorauszahlungen als auch die abschliessende Zahlung beim nächsten Einkommensteuerbescheid bezahlen. Bleibt dann noch etwas übrig, können Sie das Geld entweder für die nächsten Vorauszahlungen verwenden oder es Wiederkauf ihr normales Geschäftskonto übertragen und für Investitionen (oder eine Gewinnausschüttung) nutzen.

 

Fazit

Wenn Sie sich frisch selbständig machen, versuchen Sie, das Thema Einkommensteuer stets im Blick zu behalten. Korrigieren Sie Ihre eingangs abgegebene Schätzung zeitnah, um sich vor Liquiditätsproblemen zu schützen. Bei zu hohen Schätzungen binden Sie gleich zu Anfang der Geschäftstätigkeit viel Geld in der Einkommensteuer, das Sie sicher besser für Wareneinkäufe oder Geschäftsausstattung verwenden könnten.

Noch gefährlicher kann aber eine zu niedrige Schätzung sein, wenn Sie nämlich ganz plötzlich im zweiten Jahr eine große Summe in kürzester Zeit aufwenden müssen, um dem Staat zu bezahlen, was ihm gehört. Wenn Sie jedoch von Anfang an dafür sorgen, dass das Geld auch wirklich flüssig ist, kann Ihnen nichts passieren.