Gründer und die Wahl der Rechtsform: keep it lean, Baby!

Gründer und die Wahl der Rechtsform: keep it lean, Baby!

Wer sich selbständig macht, muss sich viele Gedanken machen und Weichen stellen. Wer gründet, begibt sich auf eine abenteuerliche Reise. Da ist die Angst, Fehler zu machen, natürlich groß.

Eine wichtige Entscheidung ist die für die geeignete Rechtsform für das neue Vorhaben. Starte ich als Freiberufler, als Personengesellschaft oder ist eine Kapitalgesellschaft für mein Vorhaben am besten geeignet?

Zu diesem Thema gibt es im Netz und im Buchhandel jede Menge Ratgeber. Hier finden Sie zu allen möglichen Szenarien und deren Verhinderung die passenden Rechtsformen für Ihre neue Firma. Hier sollte man auf jeden Fall schmökern und sich seine Gedanken machen, denn Fehler können durchaus gravierende Folgen haben. Übertreiben sollte man es aber auch nicht…

Wie man sich dem Thema auf keinen Fall nähern sollte

Im KarriereSpiegel erschien vor einger Zeit ein sehr schöner und gut verständlicher Überblick über die verschiedenen Einflussfaktoren für die Wahl der passenden Rechtsform.

In leider sehr deutscher Manier beginnt der Artikel mit einem Schreckensszenario erster Güte, um zu zeigen, wie verheerend Fehler bei der Wahl der Rechtsform sein können:

Als Anton Schlecker vor drei Jahren sein Unternehmen verlor, da verlor er alles – seine Immobilien, seine Luxus-Autos, selbst die Bilder an den Wänden. „Nichts mehr da“, sagte seine Tochter Meike, zehn Tage nachdem die größte Drogeriekette Deutschlands Insolvenz angemeldet hatte. Tausende Menschen verloren ihre Jobs. Und es blieb die Frage: Wie kann ein Milliardenvermögen auf null schrumpfen?

Es lag an der Unternehmensform, die der Patriarch gewählt hatte […]

Nun mag dieser Auftakt gut geeignet sein, des Lesers Interesse anzufüttern und den Respekt vor der Selbständigkeit zu erhöhen. Sachdienlich ist es eher nicht, sich der Thematik so zu nähern.

Das tragische Ende des Schlecker-Imperiums liefert jede Menge Lehren zu allen möglichen Themen, was im Handeln eines Unternehmers falsch gemacht werden kann.
Es zeigt, welch schlimme Konsequenzen Fehler oder Schlamperei bei der Jonglage mit großen Beträgen und Verantwortung haben können.

Und ja, es zeigt auch, daß man als Unternehmer möglicherweise für eigene oder fremde Fehler  bitter bezahlen muss.
Aber: hätte sich Herr Schlecker in einer Kapitalgesellschaft vor dem Zugriff von Gläubigern auf sein Privatvermögen verschanzt, wäre der Schaden nicht kleiner gewesen. Er hätte nur von anderen bezahlt werden müssen – obwohl auch so schon genügend Menschen in existenzielle Schwierigkeiten geraten sind. Und ob sich wirklich das Privatvermögen der Schlecker-Familie hätte schützen lassen, ist meines Erachtens mehr als fraglich.

Die Rechtsform schützt vor weniger, als Sie vielleicht denken

So interessant der Artikel des Spiegel also ist, und so gut der Überblick über die Rechtsformen ist, so unglücklich geht er mit dieser Einleitung komplett in die falsche Richtung. Nicht zuletzt, weil es sich der Autor ein wenig zu einfach macht.

Beispiel gefällig?

Benötigen Sie als GmbH-Geschäftsführer-Gesellschafter ein Bankdarlehen, und kann die GmbH keine Sicherheiten stellen, unterschreiben Sie als Privatmann den Kreditvertrag und beleihen Ihr privates Haus. Schon sind Sie persönlich haftend – Kapitalgesellschaft hin oder her. Und wissen Sie was? Gesamtwirtschaftlich gesehen ist das gut so. Ich möchte nicht, dass meine Bank Luftdarlehen an Firmen vergibt, die nicht dafür haften müssen – und Sie wollen das sicher auch nicht. Die GmbH schützt also nicht vor Forderungen aus Kreditausfällen, wenn sie nicht die Kreditnehmerin ist. Und meist ist sie das bei Neugründungen – mangels Sicherheiten – eben explizit nicht.

Selbst in Haftungsfragen bei einer Bruchlandung einer Firma ist noch lange nicht alles so, wie man gemeinhin sagt. Reicht das Stamm- oder Grundkapital Ihrer Firma nicht zur Deckung von Schäden aus, ist für Gläubiger noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Haben Sie als Geschäftsführer fahrlässig gehandelt oder in krimineller Absicht getäuscht oder ist Ihnen irgendwie nachzuweisen, daß Sie persönlich Fehler gemacht haben, ist mit guten Anwälten auch hier noch einiges zu machen. Da ist Ihr Privatvermögen durchaus juristische Manövriermasse, egal, was Ihnen der eine oder andere Berater weismachen möchte. Auch als GmbH-Geschäftsführer-Gesellschafter stehen Sie im Extremfall bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Fehlern in der Unterhose da. Und was fahrlässig oder vorsätzlich ist, entscheidet sich meist vor Gericht.

Gesetzeslage hin oder her: Selbständigkeit ist nicht der Freischein zum risikofreien Reichtum, und soll es auch nicht sein. Vielmehr heißt Selbständigkeit, Verantwortung zu übernehmen.
In diese Verantwortung muss man hineinwachsen.

Hineinwachsen heißt, Dinge ausprobieren, herausfinden, was funktioniert, und was nicht – kurz: Den passenden Weg zu finden.

Das bedeutet eben auch, sich mit wichtigen Entscheidungen möglichst erst festzulegen, wenn sie relevant werden. Dabei sind kleine, überschaubare Schritte meist das Mittel der Wahl. Ein Rundum-Sorglos-Paket, das vom ersten bis zum letzten Tag Ihrer Geschäftstätigkeit paßt, gibt es nicht.

Keep it Lean, Baby!

Die Wahl der Rechtsform muss nicht von Anfang an für den größt möglichen Umfang ausgelegt sein. Oder beginnen sie gleich im ersten Jahr damit, Milliardenkredite aufzunehmen und tausende Mitarbeiter einzustellen?

Wenn ja: herzlichen Glückwunsch! Es kann ja fast nichts mehr schief gehen.

Die meisten Gründer beschäftigen sich in den ersten Monaten – vielleicht sogar Jahren – damit, zu schauen, ob ihre Geschäftsidee funktioniert, und versuchen, ihren Lebensunterhalt daraus zu erzielen. Viele sind froh, wenn sie im 2. Jahr einen kleinen Überschuß erzielen. Andere geben schon nach wenigen Monaten auf und gehen zurück ins Angestelltendasein oder starten etwas neues.

In dieser Phase haben Gründer recht wenig Nutzen aus einer teuren GmbH oder UG, die sie rein theoretisch vor Konsequenzen aus Problemen schützt, die sie gerne erstmal hätten. Vielmehr bindet die Gründung einer Kapitalgesellschaft viel Energie und Kapital, erfordert sehr viel mehr Verwaltungsaufwand und kostet letztendlich bei ihrer Auflösung wiederum Geld und Zeit, die für einen Neustart besser angelegt wären.

Nicht auf die leichte Schulter nehmen

Bitte verstehen Sie diesen Artikel nicht falsch. Wenn Sie sich selbständig machen möchten, sollten Sie sich mit Rechtsformen beschäftigen, und sich Gedanken dazu machen, was am besten passt. Aber Sie sollten sich bei der konkreten Umsetzung auch vor Augen führen, was zunächst relevant für Sie sein wird und welche Fragen sich vermutlich in den ersten Jahren nicht stellen werden.

Halten Sie sich bitte stets vor Augen, dass Sie die Rechtsform Ihres Unternehmens durchaus wechseln können. Sie können problemlos ein paar Jahre als Einzelunternehmer arbeiten und Ihr Geschäftsmodell entwickeln. Wird die Sache ernst, und benötigen Sie Fremdkapital oder sprechen andere Gründe für eine GmbH, können Sie auch später noch umsatteln, mit allem in der Zwischenzeit gesammelten Wissen und der Erfahrung aus den ersten Jahren Ihrer Tätigkeit. Gibt es einen zu schützenden Markennamen oder müssen Sie Patente oder Lizenzen einkaufen, um los zu legen, ist eine Kapitalgesellschaft sicher eine gute Wahl.

Fazit: Starten Sie klein und wendig

Ein Start als Kleinunternehmer im Nebenerwerb, als Einzelunternehmer oder kleine BGB-Gesellschaft ist deutlich schneller und einfacher zu bewerkstelligen und kostet nur einen Bruchteil der Gründung einer Kapitalgesellschaft. Sie ist schnell wieder abgemeldet, wenn es nicht klappt, und so ziemlich alles läßt sich im Innenverhältnis per ganz normalem privatrechtlichen Vertrag regeln. Vertrauen Sie Ihren Mitgründern nicht, stellt sich sicherlich auch die Frage, ob ein Start in einer GmbH an diesem Umstand etwas ändern würde.

Eine Neugründung als GmbH oder AG ist auch nach einigen Jahren als BGB-Gesellschaft nicht schwieriger oder teurer, als wenn man es sofort in dieser Rechtsform getan hätte. Nur haben Sie in den ersten Jahren schon viel über Ihr Business gelernt und kennen die wahren Fallstricke.

Dasselbe gilt für die steuerlichen und handelsrechtlichen Rahmenbedingungen, die auf eine Kapitalgesellschaft zukommen: Bilanzierung, Publizitätspflichten, Aufstellung von Geschäftsberichten und viele weitere kleine und große Kosten- und Aufwandsfaktoren halten Sie sich mit einer Personengesellschaft vom Leib, bis Ihr Geschäft die Größe und den Umfang erreicht hat, die den ganzen Überbau rechtfertigt.

Es gibt Dinge, mit denen man sich den späteren Übergang erleichtert, etwa, indem man von Anfang an eine ordentliche Buchführung pflegt, die dann später keine Anpassungen mehr erfordert, wenn die gesetzlichen Hürden höher werden.

Beim Gründen wie in allen anderen Lebensbereichen ist Augenmaß für das Erforderliche und das Erkennen von Unnötigem Wasserkopf eine wichtige Grundzutat des Erfolgs. Nicht nur im eigentlichen Geschäft, sondern auch in rechtlichen und kaufmännischen Fragen heißt es, beweglich zu bleiben und vielleicht ab und an auch mehr auf das eigene Gefühl zu vertrauen, als blind auf so genannte Expertenmeinungen zu vertrauen.